30. Juni 2010

Der Klingelbeutel: Alle reden über LeBron. Nur Jon Stewart redet über Fußball

Die Uhr tickt langsam auf Mitternacht zu. Was in dieser Nacht Millionen von Leuten in den Bann schlägt. So wie an Silvester. Die NBA öffnet nämlich mit dem 1. Juli offiziell die Schleusen, damit sich endlich alle Clubs um die bereit stehenden Free Agents prügeln können. Der Preis ist heiß. Die meisten wollen wissen, was LeBron James machen wird. Bleibt er in Cleveland? Geht er in eine andere Stadt? Aber auch aus deutscher Sicht produziert die Sache ein bisschen Spannung. Wenn er wirklich wollte, hätte Dirk Nowitzki hervorragende Chancen, endlich einen Schlussstrich unter die zwölf enttäuschenden Jahre in Dallas zu ziehen und sich einem besseren Team anzuschließen. Eines mit LeBron James zum Beispiel. Oder auch eins mit Dwayne Wade. Hinweis: Zu dieser Gemengelage gibt es in der Donnerstagausgabe der FAZ einen ausführlichen Bericht (Nachtrag: steht jetzt auch online zur Verfügung). Hier ein Foto der beiden zusammen nach einem Spiel gegeneinander. Hier eines im Zweikampf unterm Korb.

• Jon Stewart hat heute seine gesamte Daily Show dem Fußball und der WM gewidmet. Im Studio waren Landon Donovan und Bob Bradley, die beide ein gewisses Leuchten abstrahlen. Was irgendwie komisch ist für Leute, die im Achtelfinale ohne vernünftige spielerische Ideen aus dem Wettbewerb gekegelt wurden. Stewart war im Studium Mitglied der College-Mannschaft und versteht sich als Botschafter der Sportart in den USA, wo nach dem Aus der eigenen Mannschaft das Interesse abgeflacht ist. So jemand fragt nicht wirklich kritisch nach und gibt der aufkeimenden Begeisterung für Fußball keinen Dämpfer.

Immerhin fand die Mannschaft mit dem Ghana-Spiel am Samstag zuhause einen überraschend großen Zuschauerzuspruch. Das Match erzielte nach Recherchen der Los Angeles Times eine Rekordeinschaltquote. 4,5 Millionen der insgesamt 19,4 Millionen amerikanischen Fernsehzuschauer sahen die Begegnung auf dem spanischen Kanal Univision. Der hatte den Vorzug, dass dort nicht ein gewisser John Harkes als Co-Kommentator im Einsatz war. Der Ex-Nationalspieler ist die einzige US-Stimme unter den vielen kompetenten Engländern an den Mikrofonen für ESPN und ABC und ein Seifenblasen-Produzent ersten Ranges.

Aus Kindern werden Leute...mit Problemen

Es darf aus besonderem Anlass an eine Geschichte erinnert werden, die schon vor ein paar Jahren passiert ist und damals Anlass gab, unter anderem folgende Zeilen über das Teenagertennis für die Wochenzeitung Die Zeit zu schreiben (ein Auszug):

"Stefano Capriati[...]hatte schon vor der Geburt seiner Tochter nur ein Ziel im Sinn: Er wollte Jennifer zum Tennis-Champion machen. Als sie vier Jahre alt war, buchte er den ersten Trainer: Chris Everts Vater Jimmy. Mit 13 erhielt sie auf Stefanos Drängen eine Ausnahmegenehmigung und wurde Profi. Der Prototyp des All-American-Girl, ein Kicherkind, fröhlich und unbekümmert, und wegen einer vergleichsweise strammen Vorhand als neues Wunderkind gefeiert.

Jennifer Capriatis Aufstieg war phänomenal. Sie erreichte innerhalb von nur sechs Monaten die Top 10 der Weltrangliste. Ihr erstes Auto - eine Siegprämie bei einem Turnier - gewann sie, bevor sie mit 16 den Führerschein bestand. Es gab nicht nur Verträge mit Tennisfirmen. Jennifer trat sogar in Werbespots für eine Anti-Falten-Creme auf. Das Tempo ihres Lebens und ihrer Erfolge war so hoch, daß ihre Mutter schon fürchtete, dass "alles viel zu schnell geschieht".[...] Die Familie, die sich von dem Geld ein großes Haus an Floridas Westküste gekauft hatte, schien jedoch mit dem Erreichten zufrieden. "Mir kommt es nicht so vor, als ob wir von Jennifers Geld leben", sagte Mutter Denise [...] In der Psychologie findet man vielerlei Erklärungsmodelle dafür, daß Menschen - nicht nur junge - scheinbar ohne Not in Schwierigkeiten geraten. War es also ein Akt der Rebellion, wie manche meinen, als sich der wohlhabende Tennis-Teenager einen Nasenring verpassen und sich beim Ladendiebstahl erwischen ließ? Handelte es sich eventuell um einen heimlichen Hilferuf, als sie der Polizei gestattete, ihre Siebensachen zu durchsuchen? Oder ist sie gar am Ende ein sogenannter "Burnt-Out Case" wie die literarische Figur des Architekten Querry in dem gleichnamigen Roman von Graham Greene, unterwegs auf einem seltsamen Trip, um sich nach Jahren der Monotonie und Ziellosigkeit durch selbst zugefügtes Unbehagen wieder lebendig zu fühlen?"

Die Fragen wurden nie beantwortet. Ein paar Jahre später kehrte Jennifer Capriati wieder auf den Tennisplatz zurück. Und zwar mit Macht. Sie gewann im Rahmen ihres Comebacks drei Grand-Slam-Turniere, ehe sie 2005 endgültig ihre Karriere beendete.

Blenden wir um auf heute:

Jennifer Capriati, inzwischen 34 Jahre alt, wurde am Sonntag in ihrer Wohnung in Riviera Beach gefunden. Sie hatte sich mit einer Überdosis von irgendwelchen Pillen gefüttert und musste ins Krankenhaus transportiert werden. Wenig später durften wir erfahren, dass sie einen Lebensgefährten hat(te), der lieber wieder ins Pornogeschäft zurück wollte, als ihr den Gefallen zu tun, sich von dieser Industrie fern zu halten. Vieles läuft mal wieder nicht richtig in ihrem Leben. So ist seit März ihre Villa in Saddlebrook auf dem Markt. Auf einem ziemlich heruntergecrashten Markt, der sich vor allem in Florida nicht halb so schnell wieder erholen wird wie Jennifer Capriati.

Eine der Familie nahestehende Person hat übrigens erklärt, dass sie sich mit den Pillen nicht das Leben nehmen wollte. Dass sie unter Depressionen leidet, scheint aber vor allem der ambitionierte Porno-Darsteller zu glauben. Eine Befindlichkeit, die man, wie wir wissen, sehr ernst nehmen muss. Trotzdem fragte man sich natürlich: Wer ist dieser Mann, der ihr so viel bedeutet. Er heißt Dale DaBone (bürgerlich: Dale Newton Rutter).

Dieses Video zeigt ihn hinter den Kulissen einer Batman-Parodie. Verschärft im Einsatz kann man ihn hier erleben (Ernst gemeinte Warnung: ganz bestimmt NOT SAFE FOR WORK und, wenn es nach den Jugendschutzbestimmungen geht, auch nichts für Leute unter 18).

29. Juni 2010

Ein Zustandsbericht

Wie so oft bei solchen Dingen schleicht sich das ganz langsam ein: das Bedürfnis, nur noch auszuatmen und zu pausieren. Und dass man sich mit anderen Dingen beschäftigen möchte. Irgendwann gibt es keine richtige Erklärung mehr dafür, was einen eigentlich Monate vorher in eine andere Richtung gelockt hat. Und was einen davon abgehalten hat, sich mit der Fortsetzung einer scheinbar unendlichen Geschichte zu beschäftigen. Wahrscheinlich gehen so viele Beziehungen kaputt. With a whimper, not with a bang.

Ich schulde sicher allen Besuchern, Lesern, Feedreader-Abonnenten und Interessenten noch einen Beitrag über diesen Zustand. Auch wenn der nichts Besonderes ist, weil ihn jeder – Blogger oder nicht – irgendwann mal erlebt. Ich wurde daran heute erinnert, weil mich einer dieser sehr geschätzten Leser auf Facebook ganz direkt danach gefragt hat. Ich habe ihm eine kurze Antwort geschrieben, die ich aus diesem Anlass gerne etwas ausführlicher formulieren möchte.

Ausführlich bis zu einem gewissen Punkt. Mein Hauptproblem an diesem besagten Punkt: Ich bin noch immer nicht sicher, was als nächstes anliegt. Und Ungewissheit lähmt.

Ich bin einerseits ein bisschen müde, den täglich durchlaufenden Kram zu verfolgen und dazu immer wieder neue Gedanken abzuliefern. Andererseits liebäugele ich mit einem Neuanfang für American Arena mit einer anderen Domain – americanarena.net – wo ich im Unterschied zum Google-Basis-Programm vom Layout mehr machen könnte (auch was die Kommentare angeht). Ich frage mich, ob ich nicht für eine neue Plattform einfach ambitionierte Mitstreiter rekrutieren sollte, um die Schlagzahl zu erhöhen. Ich bin noch immer unentschlossen, was eventuelle Buchprojekte angeht, die vielleicht auch irgendwie in die Blog-Landschaft passen würden. Ich weiß nur: Ich habe keine Lust, einfach jeden Tag so weiterzumachen wie dereinst.

Es ist eigenartig. Nach mehr als 2000 Beiträgen plus einigen Experimenten in Richtung Video sowie Podcast (in Zusammenarbeit mit sehr talentierten Fußball-Bloggern) empfinde ich zunächst mal nur ein beträchtliches Nichts. Man fühlt sich nicht voll und satt und rundum zufrieden, sondern leer. Das wäre übrigens nicht anders, wenn eine solche Arbeit irgendeinen finanziellen Ertrag abwerfen würde. Obwohl: Ehrlich, natürlich wäre es nicht schlecht, wenn die Online-Arbeit einem die Miete zahlen würde. Denn es wäre ein Beleg dafür, dass man mit seinem publizistischen Angebot einen Gegenwert erzeugen konnte.

Allerdings: Um so weit zu kommen, braucht man tausende von Lesern, ein paar hundert reichen nicht. Und um tausende zu erreichen, muss man sich noch mehr einfallen lassen, und denen etwas bieten, was sie woanders nicht bekommen. Die Installation eines Flattr-Knopfs ist nicht die Lösung.

Nach meinem Eindruck haben die beständig besten deutschen Sport-Blogs vor allem eines gemeinsam: Sie unterscheiden sich deutlich genug voneinander und liefern Kernkompetenz. Ich nenne mal allesaussersport, Indirekter Freistoß, Jens Weinreich und Trainer Baade, um zu illustrieren, was für Türme und Zinnen da inzwischen in der Landschaft stehen und den anspruchsvollen Sportkonsumenten auf der Suche nach hochwertigen Informationen und Meinungen sowie nach Gleichgesinnten als Orientierungspunkte dienen. American Arena hatte selbst in den ergiebigsten Zeiten nie einen solchen Status. Das ist nicht schlimm. Denn New York sorgt automatisch für eine ganz bestimmte Standortprägung. Hier verfolgt man nicht das deutsche Fernsehangebot (und reagiert deshalb auch eher gelassen darauf). Hier liest man nicht den Kicker oder Sportbild. Nicht mal online. Die haben – für Amerika – keine Relevanz.

Unterm Strich ist das sicher ein Nachteil. Allerdings dürfte es auch Vorteile haben, wenn man sich nicht in diesem Strom der konventionellen veröffentlichten Sportinformationen bewegt. Man findet auf diese Weise leichter seine eigene Stimme. Aber man muss als Blogger diese Vorteile in eine Blog-Leistung umsetzen, die Leser interessiert. Tag für Tag. Woche für Woche.

Dazu habe ich im Moment einfach nicht die Energie. Ich werde mir noch ein bisschen Bedenkzeit gönnen. Ich bitte um Verständnis und danke allen ganz herzlich für die Loyalität.